Bangkok. Weil sehr viel dürftiges Wissen über die ‹Erfindung› der Prostitution und des Barbetriebs in Thailand verbreitet wird, hier zur Abwechslung ein paar Fakten: Wahr ist, daß im alten Siam, wo um 1900 noch ein Großteil der Bevölkerung versklavt war, auch von Frauen gewisse Dienste, vor allem gegenüber der Oberschicht, üblich waren. Und wahr ist ebenso, daß Südostasien schon immer Männer aus fernen Ländern anzog, die exotische Weiblichkeit schätzten und sich dort auch entsprechend – und vollkommen ungehindert – bedienen konnten.
Schon die Casados, also die in Asien niedergelassenen Portugiesen, die zuerst mit dem alten Ayutthaya bzw. mit den dortigen chinesischen Kaufleuten handelten, waren keine Kostverächter. Im 16. Jahrhundert hielten sie sich jedenfalls ‹Afrikaner für den Dienst, Japaner als Leibwache und Kanonenfutter, Chinesen für die Küche und Sklavinnen vierundzwanzig verschiedener Nationen fürs Bett.› (1)
Auch ist es keine Erfindung des 20. Jahrhunderts, daß sich in Bangkok ausländische Investoren in dieser Branche betätigten. Ein heute noch bekanntes Etablissement um 1900 hieß zum Beispiel Splendid Bar & Restaurant. Um 1900 führte die Bar der 1874 in Czernowitz in der Bukowina geborene Abraham Ausländer, der aus Schanghai nach Bangkok gekommen war. (2)
Abraham Ausländers offiziell zur Bedienung angestellte Frauen zogen jedenfalls schon zu König Chulalonkorns Zeiten die Kundschaft an. Auch einheimische Prinzen schlugen sich hier Nächte um die Ohren und vergaßen hinterher gelegentlich, den Geldboten zu schicken, wenn die Rechnung etwas höher als geplant ausfiel.
Nur weil solche Dinge aktenkundig geworden waren, kennt man heute noch die Namen solcher Bars: 1908 prozessierte Ausländer gegen Mom Luang Tum und Mom Luang Goi, zwei Sprößlinge des mächtigen Chao Praya Thewet, dessen Name durch den Thewet-Palast im gleichnamigen Bangkoker Stadtteil heute noch jedem Bangkok-Besucher ein Begriff ist. Die hohen Söhne wollten oder konnten leider ihre bei Khun Abraham gemachte Zeche nicht zahlen. Erst nach einer Intervention des Generalberaters der siamesischen Regierung, des Amerikaners Westengard, wurden die Schulden nach langem Hin und Her doch noch bezahlt.
Sogar westliche Prostituierte verstärkten das Bangkoker Angebot. Auch ihre Namen wurden gelegentlich aktenkundig. So hielt sich eine 1887 geborene Sarina Derner ab 1908 mindestens neun Jahre in Siam auf. Zuvor war sie schon in Bombay als Prostituierte tätig gewesen. 1917 wurde sie wie alle Deutschen und Österreicher interniert und ihr Guthaben bei der Banque de l’Indochine in Höhe von 25 000 Ticals beschlagnahmt. Auch eine ungarische Prostituierte namens Malvine Elles ist überliefert. Die 30jährige wurde 1917 nach der Kriegserklärung Siams an Deutschland und Österreich-Ungarn ebenfalls interniert. Nach Akten der ehemaligen k.u.k. Gesandtschaft in Bangkok lebten weitere Prostituierte aus der Donaumonarchie in Bangkok, deren Namen aber nicht überliefert sind.
Geradezu berühmt war Anna Donal, die ‹Löwen- und Wolfdresseurin› als Beruf angab, als sie nach Siam gekommen war. In Bangkok brachte sie es zur Alleinbesitzerin der Deutschen Bierhalle. Frau Donal muß eine bemerkenswerte Frau gewesen sein. 1907 wurde sie wegen Mißhandlung eines Siamesen angeklagt und zur Zahlung von zehn Ticals (damals etwa 15 Reichsmark) an den Verprügelten sowie zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.
Diese Namen kennt man heute wieder, weil im Rahmen einer Doktorarbeit in Österreich (3) genau nach den damals in Thailand lebenden k.u.k. Staatsbürgern geforscht wurde, und zwar auch den weniger bekannten. Eine vergleichbare Untersuchung für das Deutsche Reich gibt es leider noch nicht. Keiner, der etwa in Hamburg, Berlin oder Passau (den Zentren der deutschen Thailand-Forschung) über diese Zeit forschte, machte sich bisher die Mühe, den hochinteressanten individuellen Biographien der heute weniger bekannten deutschen Staatsbürger nachzugehen, die damals in Siam lebten.
Quellen:
(1) Ronald Daus: Die Erfindung des Kolonialismus. Wuppertal 1983, 60.
(2) In diesem Zusammenhang ist interessant, daß die bekannte Dichterin Rosalie Scherzer aus Czernowitz stammte. Sie gab sich den Künstlernamen Rose Ausländer, obwohl in ihrer engeren Verwandtschaft offenbar niemand so hieß.
(3) Orasa Thaiyanan: Die Beziehungen zwischen Thailand [Siam] und Österreich-Ungarn 1869–1917. Wien 1987.
Natürlich gab es das damals schon, und ich denke es gab sicher auch genug Chinesen, die das aus der Heimat gewohnt waren.
Dazu habe ich selbst zwei kleine Anekdoten.
Die eine Geschichte betrifft einen Bekannten aus St. Gallen. Dessen Vater verstarb vor ca. 30 Jahren in hohem Alter. In der Hinterlassenschaft fand sich ein ganzer Stapel sehr schöner Aktfotos der Jahrhundertwende – der von 1900… ((-:
Das waren alles sehr bleiche Schönheiten, eher üppig gebaut und gut modelliert, mit zarten Spitzen dekoriert… alles vom Fotografen aufwendig im Studio arrangiert und photographiert und auf Karton aufgezogen.
Und als wir uns die ansahen und schmunzelten – hatten diese doch die ganzen Jahre gut versorgt überlebt –, da fiel uns auf, dass es von gewissen Motiven mehrere gab und dass die Fotos auch nummeriert waren.
Wieso mehrere von ein und demselben Aktfoto???
Nun ja, die wurden in gutgelaunter Herrenrunde getauscht, so wie wir als Kinder Bildchen oder Quartettkarten tauschten.
Aber damals hatte es eben noch Stil und war wohl eher etwas für Gutsituierte, denn ich vermute, dass die „Bildchen“ damals noch ganz schön Geld gekostet haben.
Bei der zweiten Gegebenheit geht’s auch um die geheimen Bilder der gutsituierten Herren von anno dazumal.
Also, ich hatte eine gute Kundin und naja, sie war schon mehr eine gute Freundin. Sie stammte aus einer wohlhabenden Familie, ihr Grossvater besass nach der Jahrhundertwende eine Psychiatrische Klinik, und er fuhr damals einen Bugatti der heute noch vorhanden ist, oder vor 20 Jahren jedenfalls noch da war.
Als ich mal deren Scheune besichtigte, standen da mehrere Überseekoffer rum, alle sehr gut im Zustand aber verschlossen. Ich sagte damals zu ihr, falls sie so einen mal nicht mehr benötige, ich würde gerne so einen haben.
Ca. 2-3 Jahre später stand sie mit dem Auto vor meiner Türe und wollte mir einen von den Koffern schenken, nur war der eben abgeschlossen und die Schlüssel fehlten wohl schon seit Jahrzehnten. Sie stellte mir nur die Bedingung, dass ich den Koffer in ihrer Anwesenheit öffne und sie den Inhalt begutachten durfte. Die Familie hatte Bedenken, dass der Grossvater darin noch Akten von Patienten seiner Psychiatrischen Klinik verwahrt haben könnte. Der Koffer war vom Grossvater, er hatte noch etliche Werbeaufkleber seiner Reisen drauf.
Wir beide versuchten mit Draht und allerlei Werkzeug die Schlösser zu öffnen, aber die hatten im Inneren schon etwas Rost angelegt, sie liessen sich um keinen Preis dazu erweichen aufzugehen.
Ihr wurde nun langsam die Zeit knapp und ich versprach ihr, was auch darin sein würde, es zurückzuhalten bis sie es gesehen hätte.
Ich fuhr also zu einem Schlüsseldienst und die brauchten auch noch ne gute Stunde um die Schlösser unbeschädigt zu öffnen. Also ich packte den Koffer unbesehen sofort ins Auto, fuhr nach Hausse und führte mir erst da den Inhalt zu Gemühte….(((-:
Es waren Fotos, die aber in protzigen handvergoldeten Rahmen. Und die Motive waren aus aller Herren Länder, überall dort aufgenommen wo es Gesellschaften gab in denen die Frauen barbusig oder nackt ihrem Tagesgeschäft nachgingen.
Ca. 20 Rahmen in Seidenpapier eingeschlagen und mit Bildern aus aller Herren Länder. Aus afrikanischen Dschungeln mit schwarzen Schönheiten, dann aus „Ägypten“ mit barbusigen Frauen unter Dattelpalmen und mitten in der Oase am Wasser verweilend. Welche aus „China“ mit schneeweissen Frauen, solche aus „Thailand“ mit Kurzhaarschnitt, schlank und rank wie oben im Artikel, samt 3-4 Kindern, ebenfalls nackt spielend, solchen aus Burma, Indochina usw.
Nun ja, das waren wohl die Bilder aus dem „Raucherzimmer“ eines vornehmen Herrn der Jahrhundertwende, die er während der Zigarre nach dem Essen mit seinen Rauchgenossen betrachtete. Lauter Südseeperlen in traumhafter Landschaft, eben so wie man sich das damals vorstellte … das Leben der freien, schönen Wilden im Paradies.
Ich benachrichtigte das Fräulein und wir schmunzelten gemeinsam über den Inhalt des Koffers. Eines der Bilder habe ich heute noch bei mir. Es ist für mich immer wieder amüsant, es anzusehen und an die Begebenheit zu denken.
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Lieber Walter Roth,
haben Sie herzlichen Dank für die schöne geschriebenen und interessanten Anekdoten! Von Raucher- bzw. Herrenzimmern, in denen sich die feineren Herren an einem bestimmten Abend unter der Woche zum Rauchen und Kartenspielen trafen (und zu trinken gab es natürlich auch etwas!), habe ich in meiner Jugend in den Erzählungen über die Verwandten, die wohlhabender als wir waren, auch gehört.
Ich hatte dabei als Junge nie verstanden, weshalb die Herren dafür ein eigenes Zimmer benötigten und nicht einfach z. B. im Wohnzimmer oder auf der Veranda ihren Leidenschaften nachgingen. Jetzt ist mir einiges klar geworden!
Freundliche Grüße, Redaktion phakinee.com (hmh.)