Kambodscha 1970–1993

Gefängniszelle in Tuol Sleng
Gefängniszelle in Tuol Sleng

Fast zweiundvierzig Jahre nach dem 17. April 1975, dem Tag, an dem die Roten Khmer – überwiegend waren es Kindersoldaten unter 18 Jahre – in Phnom Penh einmarschierten und ihre  beispiellose Schreckensherrschaft begannen, die etwa fünfzehn Prozent aller damals in Kambodscha lebenden Menschen das Leben kosten oder sie vertreiben sollte, staunen wir immer noch über diese Vorgänge.

Gemeint ist die Geschichte Kambodschas in der Zeit von 1970, als das bis dahin unter Prinz Sihanuk neutral gebliebene Land durch die USA absichtlich destabilisiert und in den illegalen, offiziell nie erklärten Vietnamkrieg mit hineingezogen wurde, bis 1993, als der ehemalige deutsche Botschafter Hans Christian Lankes zu Weihnachten hoffnungsfroh in einem Artikel schrieb, das Königreich Kambodscha sei „wiedergeboren“.

Wer sich auf Deutsch über diese überwiegend dunkle Zeit informieren will, hat vergleichsweise wenig Auswahl. Zwar gibt es, um das wohl bekannteste Buch zu nennen, Holocaust in Kambodscha des legendären Spiegel-Reporters Tiziano Terzani von 1982, mancher kennt vielleicht die auch deutsch erschienenen Bücher von William Shawcross wie Kissinger, Nixon und die Zerstörung Kambodschas (1980); es gibt eine Geschichte Kambodschas von Karl-Heinz Golzio (2003) und inzwischen auch einige sündhaft teure wissenschaftliche Arbeiten in den unvermeidlichen Kommissionsverlagen, deren Bücher stets in den ausführlichen Literaturverzeichnissen vorkommen, aber selten gekauft werden.

Wer sich allgemein für die genannten Vorgänge interessiert, dem seien die folgenden, höchst lehrreichen und der Aufarbeitung der bis heute oft schier unglaublich erscheinenden Vorgänge gewidmeten Kambodscha-Bücher empfohlen:

Peter Fröberg Idling: Pol Pots Lächeln. Eine schwedische Reise durch das Kambodscha der Roten Khmer. Frankfurt a.M. 2013.
Rithy Panh mit Christophe Bataille: Auslöschung. Ein Überlebender der Roten Khmer berichtet. Hamburg 2013.

Meist muß man jedoch französisch oder englisch lesen, wenn man die maßgebliche Literatur über dieses geschundene Land studieren will. Als Standardwerke zur kambodschanischen Geschichte einschließlich der neuesten gelten zum Beispiel die Bücher von David P. Chandler, vor allem seine seit 1983 in zahlreichen Auflagen verbreitete History of Cambodia.

Um so erfreulicher ist es, daß jetzt als Band 13 der äußerst preiswerten Hochschul-Schriftenreihe „Hamburger Südostasienstudien“ Volker Grabowskys Aufsatzsammlung „Kambodscha 1970–1993. Chronologie und Hintergründe einer Tragödie.“ erschienen ist. Grabowsky ist Professor für Thaiistik an der Abteilung für Sprachen und Kultur Südostasiens am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg und auch ein ausgewiesener Kambodscha-Kenner.

Eine der Residenzen von „Bruder Nr. 5“, des „Schlächters“ Ta Mok; hier in Anlong Veng. Bild: Volker Grabowsky.
Eine der Residenzen von „Bruder Nr. 5“, des „Schlächters“ Ta Mok; hier in Anlong Veng. Bild: Volker Grabowsky.

Seine Studien zeigt auf 189 Seiten, wie das seit 1954 strikt neutrale Kambodscha in den Studel der bewaffneten Auseinandersetzung in Vietnam geriet und wie im kambodschanischen Bürgerkrieg (1970–75) der Weg zur gewaltsamen Machtergreifung durch ursprünglich weitgehend bedeutungslose kommunistischer Kräfte gelegt wurde. Die ideologischen Wurzeln des „Roten Terrors“ der Jahre 1975–78 werden in einem weiteren Abschnitt beleuchtet.

Es folgt ein Kapitel über die konkreten Lebensumstände während dieser dunklen Jahre anhand des bewegenden Schicksals einer in Kambodscha lebenden Japanerin. Ungeachtet der gröbsten Verletzung elementarer Menschenrechte im Demokratischen Kampuchea und der internationalen Isolation des Pol-Pot-Regimes verurteilte eine deutliche Mehrheit der Staatengemeinschaft die vietnamesische Invasion, so dass die Regierung des sogenannten „Demokratischen Kampuchea“ den Sitz Kambodschas in den Vereinten Nationen bis 1991 aufrechterhalten konnte.

Die diplomatischen Beziehungen und die Außenpolitik der Roten Khmer wird am Beispiel ihrer Beziehungen zu Nordkorea, dem neben China engsten und verlässlichsten Verbündeten, erörtert. Ein weiteres Kapitel analysiert die Konflikte in Kambodscha zwischen 1979 und 1991 – national, regional und international. Ein von Grabowsky übersetzter Artikel aus dem thailändischen politischen Wochenmagazin Khao Phiset aus dem Jahre 1989 veranschaulicht die Haltung Thailands in der Endphase des Kambodschakonflikts. Ein englisch gehaltenes Schlußkapitel erläutert die Hintergründe der Spaltung der Roten Khmer im Jahre 1996 und ihren endgültigen Untergang in den folgenden zwei Jahren, nachdem ihre Führung sich 1993 mehrheitlich gegen die Teilnahme an der von den Vereinten Nationen geleiteten nationalen Versöhnung gestellt hatte. Dieser Aufsatz wurde bereits Ende 1996 geschrieben.

Die einzelnen Kapitel sind, wie vom Autor gewohnt, lebendig und anschaulich geschrieben, er scheint oft quasi „aus dem Nähkästchen zu plaudern“. In der Tat schrieb Grabowsky schon in den 1980er Jahren, als er unter anderem Joscha Schmierer in Frankfurt zu seiner Begegnung mit Pol Pot und Nuon Chea interviewte, über Kambodscha. Auch kennt er persönlich drei der vier schwedischen Intellektuellen einschließlich Jan Myrdal, den er auf einer Konferenz in Paris kennenlernte, die im August 1978 das „Demokratische“ Kampuchea besuchten und ein unglaublich naives, beschönigendes, ja teilweise begeistertes Buch darüber verfaßten (diese denkwürdige Reise wird in den oben genannten Buch von Peter Fröberg Idling aufgearbeitet).

Chum Manh (vorne rechts), einer der letzten der sehr wenigen Überlebenden von Tuol Sleng. Bild von Volker Grabowsky.
Chum Manh (vorne rechts), einer der letzten der sehr wenigen Überlebenden von Tuol Sleng. Bild: Volker Grabowsky.

Delegationsleiterin war damals eine gewisse Marika Wikander, deren kambodschanischer Ehemann ein Roter Khmer war. Zum Zeitpunkt, als sie die naiven linken Intelektuellen mit viel Verständnis durch Kambodscha führte, war ihr Mann bereits ermordet worden, was Marika Wikander aber erst Jahre später erfuhr.

Die Titel der einzelnen Kapitel:

Kambodschas Weg in den Abgrund. (Seite 11)
Das Alltagsleben unter den Roten Khmer 1975-1978. (63)
Die Außenpolitik des Demokratischen Kampuchea. (77)
Der Kambodscha-Konflikt 1979-1991. (93)
Verhandlungen über eine Lösung des Kambodscha-Problems. (130)
Schlachtfeld Pailin: Ein Krieg, der Vietnam demaskiert. (136)
Khmer Rouge in Troubles. (Englisch, 151)

Außerdem gibt es einen Anhang mit statistischen Angaben, Tabellen und einem Glossar kambodschanischer und auch einiger thailändischer Begriffe und Eigennamen. Leider fehlt ein Namens- und Ortsregister, das wäre eine Anregung für die, wie man hört, bereits bevorstehende zweite Auflage.

Das im Digital Print Verfahren hergestellte Buch enthält zahlreiche Grafiken, Bilder und Landkarten, die zum Teil farbig wiedergegeben sind, was angesichts des studenten- und forschungsfreundlichen Buchhandelspreises von 12 Euro erstaunlich erscheint. Eingeschriebene Studenten erhalten das Buch im Geschäftszimmer der Abteilung für Sprachen und Kulturen Südostasiens im Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg, Edmund-Siemers-Allee 1, sogar mit einem Rabatt.

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Volker Grabowsky: Kambodscha 1970-1993. Chronologie und Hintergründe einer Tragödie. Segnitz bei Würzburg: Zenos Verlag 2016, broschiert, 189 Seiten, zahlreiche, teils farbige Abbildungen und Grafiken , ISBN 978-3-931018-24-5, 12 Euro.

Bestellung bei Zenos Verlag, Brückengasse 2, 97340 Segnitz, auch per Email: 2[ät]zenos-verlag.de oder über den Buchhandel. Alle Lieferungen innerhalb Deutschlands erfolgen bei Direktbestellung portofrei. Lieferung ins Ausland einschließlich Kambodscha und Thailand gegen zusätzliche Berechnung der reinen Portokosten. Bestellung über Amazon etc. ist derzeit nicht möglich.

1 Gedanke zu „Kambodscha 1970–1993“

  1. Würde gerne das Buch von Volker Grabowsky
    Kambodscha 1970 – -1993
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    Mit freundlichen Grüßen
    H. L***

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