„Tropico 5“: Thailands Abklatsch?

Das preisgekrönte Strategiespiel Tropico 5, in dem es um einen undemokratischen Despoten in einem korrupten tropischen Inselstaat geht, wurde in Thailand verboten, weil es die nationale Sicherheit und die Monarchie gefährdet.
Spielfigur oder Realität?

Bangkok. Vor drei Tagen verbot Thailands Militär­junta den Vertrieb des Computerspiels Tropico 5. Erst hieß es, das Spiel gefährde „Frieden und Ordnung“, dann einigte man sich auf „Gefahr für die nationale Sicherheit“ und schließlich wurde es zur offiziellen „Bedrohung der Monarchie“. Zwei Tage dauerte es, bis die verblüffte internationale Presse erkannte, daß das kein fröhlicher Scherz im Happiness-Programm des genialen neuen Machthabers Prayut Chan-ocha war.

Nein, es ist ernst. Wieder einmal schickt sich ein tapferer königstreuer Thai-General an, die großartige Thai-Monarchie fast im Alleingang gegen die gesamte Welt aus allerhöchster Not zu retten. Dem mit messerscharfem Blick erkannten Staatsnotstand dürften deshalb weitere gefährliche Strategiespiele zum Opfer fallen, wie zum Beispiel Schach. Gefördert werden könnte dagegen künftig das Spiel FarmVille.

General Prayut-Chan-ocha hat seinen Kollegen El Presidente (siehe oben) in Thailand kurzerhand verboten, weil er ihn als staatsgefährdent einstuft.
Spielfigur oder Wirklichkeit?

Tropico 5 ist ein Aufbaustrategiespiel, dessen neueste Version erst am 23. Mai 2014 veröffentlicht wurde. Spieler können sich als Despoten über mehrere Epochen (!) hinweg – hier wird es für Thailands Machthaber brandgefährlich! – Dynastien (!) aufbauen. Zum Beispiel mit Hilfe von Militärputschen und Korruption. Unglaublich! Schockschwerenot! Es liegt auf der Hand, daß alleine der spielerische Gedanke an einen erneuten Staatsstreich den großartigen glücklichen Thai-Staat samt seiner beliebten Operettenarmee und seiner starken Monarchie in seinen Grundfesten bedroht. Außerdem gefährdet schon der bloße Gedanke an Dynastien Thailands Monarchie, stellt also thai-logischerweise eine klare Beleidigung derselben dar.

Lèse-majesté wird in Thailand bekanntlich ganz zurecht durch das härteste Majestätsbeleidigungsgesetz der Welt mit 15 Jahren Gefängnis pro Einzelfall bestraft, nicht wahr?

Um die Gefährlichkeit des Despotenspiels Tropico 5 für Thailands starke Militärmachthaber und die ebenso starke und beliebte Monarchie zu verstehen und zu dokumentieren, muß man wissen, worum es im Spiel geht:

Colonel Winthai Suwari, Pressesprecher der Nationalversammlung für Frieden und Ordnung sagte am 14. Mai 2014: „Das Militär plant keinen Putsch.“ (Zeichnung: © Shucking Korn)
Großer Kommunikator: Spielfigur oder Wirklichkeit?

Tatsache ist, daß schon die erste Pressemitteilung des Herstellers völlig inakzeptabel, ja gefährlich für Thailands Frieden und Ordnung ist. Sie stammt zwar schon vom August 2013, hätte aber genausogut erst nach dem 20. Juni 2014 geschrieben worden sein können, als sich der neue Machthaber gerade an die Macht putschte:

„Penultimo, der größte Kommunikator aller Zeiten, ist hocherfreut verkünden zu dürfen, dass alle Wählerstimmen absolut korrekt ausgezählt wurden, und er bestätigt somit stolz, dass der glorreiche El Presidente in der nun 5. Amtszeit erneut seine Macht im Inselparadies Tropico vollkommen legitim missbrauchen wird!“

Es liegt auf der Hand, daß dies ja wohl nur eine infame absichtliche Beleidigung und Gefährdung des Thai-Militärs darstellen kann. Obendrein heißt es wortwörtlich in einem Werbefilm dieses Spiels, daß man

„…die Welt im Frühsommer 2014 erobern wird!“

Prayut, der größte thailändische Kommunikator aller Zeiten, glorreicher selbsternannter Ministerpräsident des glücklichen Thai-Paradieses und beliebter Rhetoriker zur besten Einschaltzeit des Thai-Fernsehens putschte bekanntlich tatsächlich, wie von Tropico 5 angekündigt, im Frühsommer 2014, und zwar genau am 20. Juni 2014!

Kein Wunder, daß der echte Diktator jetzt stinksauer ist: Alle Verschleierungsversuche hatten nichts genutzt, obwohl er sogar darauf bestand, daß der Putsch „offiziell“ erst am 22. Juni stattgefunden hätte. Welcher Verräter gab also die geheimen Informationen an die Macher von Tropico 5 weiter? Im Verdacht steht ein nützlicher Helfer aus einer bekannten Mafiahochburg im Süden des Landes, der als notorisches Plappermaul bekannt ist und inzwischen aus Sicherheitsgründen in einem Kloster untergetaucht sein soll. Das ist der traditionelle Zufluchtsort von Ex-Diktatoren und sonstigen Polit-Verbrechern in Thailand.

Kaum zufällig machten die Entwickler von „Tropico 5“ bereits in ihrer Ankündigung unmißverständlich deutlich, daß ihr Spiel für Minderjährige (und damit natürlich auch für Minderbemittelte wie etwa einfach gestrickte Militärangehörige) ungeeignet ist.

Ein weiterer Werbeclip von „Tropico 5“ gibt ungeahnte Einblicke in die Freizeitgestaltung von Kommißköpfen wie El Presidente:

Das grenzt an Geheimnisverrat und war wohl der eigentliche Auslöser für das Verbot in Thailand.

Letztlich ausschlaggebend war aber der staatsgefährdende Werbetext der Firma, der wie folgt geht:

„Mit „Tropico 5“, dem neuesten Teil der beliebten und preisgekrönten „Despoten-Simulator“-Serie, kehren digitale Diktatoren zurück in den Inselstaat Tropico. Spieler verlängern in „Tropico 5“ die Herrschaft ihrer Dynastie aus der frühen Kolonialzeit bis in das 21. Jahrhundert und stellen sich völlig neuen Herausforderungen, wie zum Beispiel dem Aufbau einer Handelsflotte [dazu gehören in Thailand bekanntlich auch Flugzeugträger, Anm. d. Red.] und der Erforschung neuer Technologien [wie Luftschiffe und Röntgengeräte, Anm. d. Red.]…“

Aber damit immer noch nicht genug, diese Firma hatte sogar noch die Unverschämtheit, auf die ehrwürdige sogenannte „Demokratische“ Partei der thailändischen selbsternannten Elite anzuspielen, die der thailändische Volksmund „die Kakerlaken“ nennt:

„Die Epochen – Spieler beginnen ihre Herrschaft über Tropico im Kolonialzeitalter, überstehen Weltkriege und Wirtschaftskrisen, meistern den kalten Krieg und führen ihren Staat in eine glorreiche Zukunft.“

Und dann auch noch das:

„Die Dynastie – Mitglieder der erweiterten Familie sind auf der Insel präsent und können als Herrscher, Manager, Diplomaten oder Generäle engagiert werden. Familienmitglieder werden somit zu einer wertvollen Ressource für Inseldespoten.“

Wir bitten um Verständnis, daß uns hier der Kommentar im Halse steckengeblieben ist. Ein ungeheuerer Affront gegen Thailand! Im Forum des Herstellers fragte ein Interessent bereits am 17. August 2013:

„Mich Interessiert das Feature ‚Dynastie‘. Sterben die Leute auch und gibt es Nachwuchs? Das wird dann keine Diktatur mehr sondern ein Königreich!“

Die Antwort:

„Denke ja, daß man Familie gründen kann und stirbt. Man kann ja nicht 300 Jahre alt werden.“

Einem weiteren Interessenten des Spieles fielen sogar Parallelen zu Nordkorea auf. Es ist also völlig klar, daß solche Äußerungen im Zusammenhang mit einem Despotenspiel für Thailands starke Monarchie viel zu gefährlich sind, und zwar noch gefährlicher als Sandwichessen in der Öffentlichkeit bei gleichzeitigem Lesen von George Orwells Roman Neunzehnhundertvierundachzig, was thai-logischerweise inzwischen rigoros verboten wurde und ganz zurecht mit mindestens zweijähriger Haft bestraft wird, oder etwa nicht?

Das Vertriebsverbot des Spieles erfolgte mit folgender Begründung:

„Ein Spiel zu spielen ist etwas anders als einen Film ansehen, denn dieses Spiel ermöglicht es allen Spielern, ihre Gedanken ohne Angst vor dem Gesetz zu äußern. Deshalb ist es unangebracht, ein solches Spiel zu vertreiben.“

Nicht nur bei einer so guten Sache wie der Begründung des Spieleverbots ist für Thailands Militärjunta ein bemerkenswerter intellektueller Aufwand erforderlich. (Zeichnung: © Shucking Korn)
Witzfiguren oder Wirklichkeit?

Dabei wurde die allerschlimmste Beleidigung Thailands, seiner Monarchie und der Armee noch nicht einmal genannt: Spieler können nämlich die Namen ihrer Spielfiguren frei wählen. Um Himmels willen! Gesetzt den Fall, die Spieler würden sich auf den ersten Blick lustige Namen zulegen wie zum Beispiel PP (Prayut Presidente), SS (Sudepp Schicklgruber) oder LS (Leni Shitpass)! Die Welt würde untergehen! Der Thai-Staat mitsamt seiner glorreichen Monarchie stünde nach 750 Jahren vor dem Zusammenbruch!

Das muß verhindert werden! Politische Beobachter in Thailand glauben deshalb nicht, daß es beim Verbot dieses einen Spiels bleibt. Seit gestern ist in den sozialen Medien das Gerücht zu lesen, daß auch alle anderen gefährlichen strategische Spiele auf der schwarzen Liste des „Nationalen Rates für Friede und Ordnung“ (NCPO) stehen.

Vor allem dürfte es nun das strategischste aller Strategiespiele, nämlich Schach, treffen. „Schach“ bedeutet dummerweise „König“ auf persisch. Die schrecklichen Konsequenzen dieser Tatsache für Thailand mag man sich gar nicht vorstellen. So schrieb gestern ein sarkastischer Facebook-Nutzer:

„Werden nach den Computerspielen nun die Brettspiele verboten? Ich habe von einem ausländischen Spiel gehört, dessen Ziel es ist, den König matt zu setzen, und zwar in der Form, daß der König unabwendbar angegriffen wird.“

Und tatsächlich hieß es ergänzend an anderer Stelle:

„Da wäre es doch nur konsequent, kommende Woche dann auch Schach zu verbieten, oder?“

Allerdings will man ein generelles Verbot von Spielen vermeiden. Grund: Es würde die Bevölkerung deutlich unglücklicher machen. Das ergab eine gemeinsame Blitzumfrage der Junta mit der ABAC-Universität unter den Schulschwänzern in Bangkoker Internet-Cafés.

Comeback für FarmVille auf „Juntabook“?

Daher soll das bereits vorgestellte Projekt „Juntabook“ auch patriotisch wertvolle Onlinespiele im kulturellen Kontext des Königreiches enthalten. Aktuell arbeite man nach dem Vorbild des Klassikers „FarmVille“ an einem Spiel für die ganze Familie, in dem sich Bauern im Hochland durch den Anbau von Erdbeeren, Schnittblumen und Broccoli aus den Fängen der Opium-Barone befreien können. Das Konzept ist außerdem mit der von den reichen Thais propagierten Selbstgenügsamkeit aller anderen Thais kompatibel.

Hierzu gingen bereits zahlreiche konstruktive Vorschläge aus Industrie und Bevölkerung ein. Zum Beispiel sollen Schüler ihre durch patriotisch wertvolle Online-Spiele erreichten Punkte direkt in ihr „Buch der guten Taten“ übertragen lassen können. Auch Schulschwänzer hätten dann endlich wieder Aussichten auf Thailands hart umkämpfte Studienplätze.

Quellen: https://twitter.com/hmhensel · https://www.facebook.com/hmhensel
http://forum.kalypsomedia.com/showthread.php?tid=19774&pid=174107
http://www.theguardian.com/world/2014/aug/04/thai-government-bans-military-rule-computer-game-tropico-5
http://asiancorrespondent.com/125529/why-has-thailand-banned-the-video-game-tropico-5-anyways/
http://prachatai.org/english/node/4274
http://www.nationmultimedia.com/national/Banned-game-found-offensive-to-monarchy-30240339.html

3 Gedanken zu „„Tropico 5“: Thailands Abklatsch?“

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