Würzburg. Aus dem Erziehungsministerium in Bangkok kamen soeben zwölf Zeugnisse für die Absolventen des vergangenen Semesters bei Dr. Nilubon Haas in Würzburg an. Hier befindet sich die [Stand 2004!] einzige thailändische Einrichtung des zweiten Bildungswegs in Deutschland. 26 Thais bereiten sich derzeit mit Hilfe der „Thai-Fernkurszentrale Würzburg“ auf staatliche thailändische Prüfungen vor.
Die so erreichten Ausbildungen können zum Beispiel einem deutschen Hauptschulabschluß oder auch einer Hochschulzugangsberechtigung entsprechen. In freiwilligen Kursen können weitere Fähigkeiten erlernt werden.
Genutzt wird die Einrichtung überwiegend von Frauen, die durch Heirat nach Deutschland gekommen sind und eine abgebrochene oder manchmal gar nicht vorhandene Ausbildung ergänzen wollen. Wie kam es zu dieser (2004) bundesweit einmaligen Einrichtung in Würzburg?
Schon vor neun Jahren gab die in Graz (Österreich) promovierte Chemikerin Dr.Nilubon in Mannheim Deutschkurse für Asiaten. Dabei lernte sie viele Landsleute und deren Probleme bei der Arbeitssuche kennen. Oft hingen diese Schwierigkeiten mit ungenügender Ausbildung und mangelndem Selbstbewußtsein zusammen.
Auch in Thailand gibt es für solche Fälle einen zweiten Bildungsweg. Universitätsdozenten, Lehrer und Handwerker übernehmen oft nebenbei den Unterricht in Instituten, die unseren Abend- oder Volkshochschulen entsprechen. Es ist eine Tätigkeit, die in Thailand zwar oft nur mit geringer Entschädigung, dafür aber mit gesellschaftlicher Anerkennung verbunden ist.
Diese „Non-formal Education“ ist in Tagesklassen, in Ferienkursen, aber auch im Fernstudium möglich. Wer die Prüfungen besteht, besitzt einen der normalen Schulbildung gleichwertigen Abschluß.
Dieser zweite Bildungsweg kann grundsätzlich auch im Ausland begangen werden, wobei es in der Praxis aber oft an anerkannten Lehrkräften fehlt.
Als Dr. Nilubon vor Jahren von Plänen der thailändischen Regierung hörte, solche Abendschulen auch im Ausland zu fördern, etablierte sie mit Unterstützung der Botschaft eine Zentrale in ihrem Wohnort Mannheim. Als sie nach Würzburg umzog, fand sie auch hier Helferinnen: Parichat Baumann (Wenkheim, Main-Tauber-Kreis) und Phakinee Dokmaingam (Segnitz, Lkr. Kitzingen), haben nicht nur die nötige Lehrbefähigung, sondern unterstützen sie auch bei der Organisation. Daneben fand sie weitere Mitstreiter mit praktischen Kenntnissen: Anchan Seufert aus Heidingsfeld gibt derzeit einen Haarschnitt-und Pflegekurs, Rattana Mangold aus Veitshöchheim gibt ihre Kenntnisse in klassischen thailändischen Tänzen weiter, Phatcharee Schaupp organisierte schon zweimal bei Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) „Mutter- und Kind-Freizeiten“. Aus Kiel reiste Phra Mahakhawirat an, der Leiter eines buddhistischen Tempels. Er unterrichtete dreißig Stunden Meditation und sprach über buddhistische Moral im Alltag.
Alle Kurse finden derzeit im Würzburger Selbsthilfehaus in der Nähe des Kulturspeichers statt.
Ursprünglich waren mit dem Segen der Botschaft acht „Non-formal education“-Stützpunkte gegründet worden, etwa in Frankfurt, München und Hamburg. Übrig blieb aber nur Würzburg, das derzeit als Fernkurszentrale für das ganze Land fungiert: „Wir konnten die Leute ja nicht abweisen, nur weil sie in Chemnitz wohnen und es dort keine Lehrer gab,“ sagt Dr.Nilubon.
Vielleicht waren die Organisatoren in anderen Städten durch die komplizierte Genehmigung überfordert: Für jeden Dozenten muß nicht nur die Lehrbefähigung nachgewiesen werden, er muß auch einen Lehrplan vorlegen, der erst in Bangkok genehmigt werden muß. Und Schüler müssen ihre Vorbildung sowie die Thai-Staatsbürgerschaft nachweisen: „Ich weiß jetzt, was das Wort ‚Papierkrieg‘ bedeutet; zuerst bin ich fast verzweifelt!“ erinnert sich Dr. Nilubon.
Inzwischen hat sie auch Erfahrungen mit deutschen Behörden gesammelt. Hilfreich und nötig war hier zum Beispiel die Bestätigung der Botschaft, daß es sich um eine thailändische Ausbildung in thailändischer Sprache durch ehrenamtlich tätige thailändische Dozenten in einer vom thailändischen Staat geförderten Institution handelt…
Für jeden registrierten Schüler gibt es ebenso wie in Thailand einen Zuschuß des Erziehungsministeriums, der in Deutschland allerdings kaum die Büro- und Portokosten deckt. Dies mag ein weiterer Grund sein, warum ähnliche Bemühungen bisher gescheitert sind. [Anmerkung: Inzwischen (2014) gibt es in neun weiteren deutschen Städten Fernkurszentralen für Thais.]
Sogar aus der Schweiz und aus Holland kamen schon Anfragen: „Da konnte ich aber nur Ratschläge für den Aufbau einer eigenen Zentrale geben“, sagt die 42jährige Gründerin der Fernkurszentrale, die im „Nebenberuf“ noch Ehefrau und Mutter ist. Wie steht die Familie zum ihrem Engagement? „Mein Mann trägt alles mit, aber wenn abends immer noch das Telefon klingelt, beschwert er sich schon mal“, bekennt Dr.Nilubon. Vor einiger Zeit wurden deshalb für die Fernkurszentrale feste Büro- und Anrufzeiten eingeführt.
Die drei Frauen sehen ihre Tätigkeit auch unter einem weiteren Aspekt: So meint Phakinee Dokmaingam, die einen Magisterabschluß in Erziehung an der Sinakharinwirot Universität in Bangkok erworben hat: „Meine Lehrerausbildung war hier leider fast unbrauchbar. Durch die Fernkurszentrale kann ich aber jetzt nicht nur meinen Landsleuten ehrenamtlich helfen; ich bleibe auch beruflich auf dem Laufenden.“ Parichat Baumann, die ihren Abschluß am Teacher College Suan Sunantha in Bangkok erwarb, sieht das genauso. Ihr liegt besonders am Herzen, daß viele Frauen durch den nachgeholten Schulabschluß selbstbewußter werden.
Nicht für alle Frauen ist die Teilnahme an den Kursen ganz einfach: Ihre Ehepartner verstehen die thailändisch abgefaßten Unterlagen nicht. Deshalb wurde inzwischen sogar ein eigener deutscher Prospekt aufgelegt. Gelegentlich, schmunzelt Dr. Nilubon, müsse man den einen oder anderen mißtrauischen Ehemann nämlich erst überzeugen, daß die Thai-Fernkurszentrale nun wirklich kein Kaffeekränzchen ist.
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Die Thai-Fernkurszentrale richtet sich an Thais und deren Kinder. Zwei Projekte stehen zur Verfügung:
1. Allgemeine dreistufige thailändische Schulbildung: Sie entspricht der früheren deutschen Volks-, Mittel- und Oberschule (ประธม ศึกษา Prathom Sueksa, มัธยม ศึกษา ตอนต้น Matthayom Sueksa Ton Ton, มัธยม ศึกษา ตอนปลาย Matthayom Sueksa Ton Plai). Anmeldung jederzeit; Semester sind vom 1. Februar bis 31. Mai und vom 1. September bis 31. Dezember. In einem zusätzlichen Sommersemester vom 1. Juni bis 31. August werden Kurse und Veranstaltungen nach Absprache und Bedarf angeboten. Als Unterlagen müssen zwei Paßbilder im Format 4 x 5 cm, frühere Schulzeugnisse (falls vorhanden) sowie je eine Kopie des Passes sowie eine Meldebescheinigung eingereicht werden.
2. Lehrplan nach Interesse: Neben einem „Frauen-und-Kinder-Projekt“ können im Frühling- und Herbstsemester verschiedene spezielle Fächer angeboten werden, soweit sich thailändische Lehrkräfte finden, die dafür qualifiziert sind. Möglich sind ausgewählte thailändische Berufsausbildungen, aber auch Meditation, Tanz, Arbeit mit dem Computer, Deutschunterricht, Näh- und Schnittkurse, Traditionelle Thai Massage sowie Kurse für zweisprachig aufwachsende Kinder aus gemischten Ehen, damit diese neben der Sprache auch die thailändische Schrift lernen können und ähnliches. Kosten für Unterrichtsmaterial usw. werden auf die Teilnehmer umgelegt.
Weitere Information durch die Thai-Fernkurszentrale, Georg-Böhm-Straße 20, 97080 Würzburg, Ruf (09 31) 9 84 08 (9–17 Uhr), Fax (09 31) 2 87 72 48, Email: nilubolhaas(ät)yahoo.com (neu!)
Dieser leicht bearbeitete Artikel, der zuerst am Freitag, 9. Januar 2004 in der Kitzinger Zeitung erschien, darf mit Ausnahme der Bilder unentgeltlich kopiert und verbreitet werden, auch auszugsweise, wenn dies mit Quellenangabe (www.phakinee.com) und ohne sinnentstellende inhaltliche Änderungen erfolgt.
Können sie mir weiter helfen.
Wir haben den Sohn von meiner Frau aus Thailand nachgeholt. Er ist 17 Jahre alt und wir suchen für Ihn einen Nachhilfe Lehrer für Deutsch in Würzburg
Danke
Ediert: Ihr Sohn und Ihre Frau können sich zu den oben angegebenen Bürozeiten an die Thai-Fernkurszentrale wenden, die Ihnen möglicherweise weiterhelfen können. Zu empfehlen ist auch die Teilnahme an einem Integrationskurs, zum Beispiel in der Kolping Akademie in Würzburg (Nähe Hauptbahnhof), für den eventuell die Kosten vom Bundesamt für Migration übernommen werden, wenn die deutsche Staatsbürgerschaft angestrebt wird.
http://www.wuerzburg.de/de/buerger/auslaendische-mitbuergerinnen/auslaender–und-integrationsbeirat/19949.Sprach-_und_Integrationskurse.html
Phakinee